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Kauf­ver­trag über den „Pati­en­ten­stamm“ einer (Zahn-)Arztpraxis ver­stößt gegen das Ver­bot der Zuwei­sung gegen Ent­gelt

Der BGH hat mit Hin­weis­be­schluss vom 9. Novem­ber 2021 (VIII ZR 362/19) fest­ge­stellt, dass ein Ver­trag, mit dem ein Zahn­arzt sei­nen Pati­en­ten­stamm ver­kauft und sich ver­trag­lich ver­pflich­tet, auf sei­ne Pati­en­ten ein­zu­wir­ken, damit die­se ihre Behand­lung bei dem Käu­fer fort­set­zen, unwirk­sam ist.

Der beklag­te Zahn­arzt und Ver­käu­fer war Inha­ber einer Zahn­arzt­pra­xis in Bay­ern, die über einen Stamm von ca. 600 Pati­en­ten ver­füg­te. Im Hin­blick auf die geplan­te Auf­ga­be sei­ner Pra­xis schloss er mit einem ande­ren Zahn­arzt, dem spä­te­ren Klä­ger, einen Kauf­ver­trag über den Pati­en­ten­stamm sowie die Domain und die Tele­fon­num­mer sei­ner bis­he­ri­gen Pra­xis (sog. „Good­will“). Nach erfolg­ter Ein­wil­li­gung der Pati­en­ten soll­te die Pati­en­ten­kar­tei mit sämt­li­chen Kran­ken­un­ter­la­gen in das Eigen­tum und den Besitz des Käu­fers über­ge­hen; eine ent­spre­chen­de Rege­lung wur­de auch für die elek­tro­ni­schen Pati­en­ten­un­ter­la­gen getrof­fen. Gleich­zei­tig ver­pflich­te­te sich der Ver­käu­fer dazu, sei­ne Pati­en­ten per Rund­schrei­ben über sei­ne Pra­xis­auf­ga­be und eine „Über­nah­me der Pati­en­ten“ durch den Käu­fer zu infor­mie­ren. In die­sem Schrei­ben soll­ten die Pati­en­ten gebe­ten wer­den, dem Käu­fer künf­tig ihr Ver­trau­en zu schen­ken. Außer­dem soll­te der Ver­käu­fer die Tele­fon­an­ru­fe als auch die Auf­ru­fe sei­ner Inter­net­sei­te auf den Tele­fon­an­schluss und die Domain des Käu­fers umlei­ten. Als Kauf­preis wur­de ein Betrag in Höhe von EUR 12.000,00 ver­ein­bart. Nach Ver­trags­un­ter­zeich­nung infor­mier­te sich der Ver­käu­fer bei der Lan­des­zahn­ärz­te­kam­mer über die Zuläs­sig­keit des Vor­ha­bens und ver­wei­ger­te sodann auf Grund­la­ge der behörd­li­chen Aus­kunft die Ver­trags­er­fül­lung. Der Käu­fer klag­te sodann auf Erfül­lung des Ver­tra­ges.

Iso­lier­ter Ver­kauf eines Pati­en­ten­stamms mit Emp­feh­lungs­ab­re­de ver­stößt gegen gesetz­li­ches Ver­bot

Nach­dem der Klä­ger erst- und zweit­in­stanz­lich kei­nen Erfolg gehabt hat­te, hielt auch der BGH den Kauf­ver­trag für unwirk­sam. Der Kauf­ver­trag sei bereits wegen § 134 BGB nich­tig, weil die iso­lier­te Ver­äu­ße­rung des Pati­en­ten­stamms ein­deu­tig gegen die berufs­recht­li­che Stan­des­vor­schrift des § 8 Abs. 5 der Berufs­ord­nung für die Baye­ri­schen Zahn­ärz­te ver­sto­ße. Danach sei es dem Zahn­arzt nicht gestat­tet, für die Zuwei­sung von Pati­en­ten ein Ent­gelt oder eine son­sti­ge wirt­schaft­li­che Ver­gün­sti­gung zu for­dern, sich ver­spre­chen oder gewäh­ren zu las­sen oder selbst zu ver­spre­chen oder zu gewäh­ren.

 

Tat­be­stands­merk­ma­le der berufs­recht­li­chen Ver­bots­norm sind erfüllt

In dem vom Ver­käu­fer ver­spro­che­nen Rund­schrei­ben sei laut BGH unzwei­fel­haft eine Zuwei­sung zu sehen, da sich der Ver­käu­fer damit ver­pflich­tet habe, sei­nen Pati­en­ten eine Fort­set­zung ihrer Behand­lung durch den Käu­fer zu emp­feh­len. Auch die Umlei­tung der Anru­fe und der Auf­ru­fe der Inter­net­sei­te ziel­ten auf eine Ver­hal­tens- und Ent­schei­dungs­be­ein­flus­sung der Pati­en­ten des Ver­käu­fers ab und sei­en damit als Zuwei­sung anzu­se­hen. Die Vor­schrift des § 8 Abs. 5 der Berufs­ord­nung für die Baye­ri­schen Zahn­ärz­te gel­te auf­grund ihres Schutz­zwecks – dem Schutz der Wahl­frei­heit der Pati­en­ten – auch in dem Fall, in dem ein Zahn­arzt sei­ne Pra­xis auf­gibt und ledig­lich eine Emp­feh­lung eines Nach­fol­gers aus­spre­che. Mit der Vor­schrift wer­de laut BGH näm­lich auch bezweckt, dass sich der Zahn­arzt in sei­ner Ent­schei­dung, wel­chem ande­ren Zahn­arzt er Pati­en­ten zuweist, nicht von vorn­her­ein gegen Ent­gelt bin­det. Die Ent­schei­dung einer Emp­feh­lung sol­le viel­mehr allein auf­grund medi­zi­ni­scher Erwä­gun­gen im Inter­es­se des Pati­en­ten getrof­fen wer­den. Zahn­ärz­te sol­len sich durch das Gewäh­ren von Vor­tei­len kei­ne unge­recht­fer­tig­ten Wett­be­werbs­vor­tei­le gegen­über ihren Berufs­kol­le­gen ver­schaf­fen dür­fen. Der ver­ein­bar­te Kauf­preis in Höhe von EUR 12.000,00 stel­le schließ­lich das Ent­gelt im Sin­ne der Vor­schrift dar.

Anwen­dung der Vor­schrift des § 8 Abs. 5 der Berufs­ord­nung für die Baye­ri­schen Zahn­ärz­te ver­sto­ße auch nicht gegen ver­fas­sungs­recht­li­che Vor­schrif­ten.
Der BGH hat auch kei­nen Anlass gese­hen, die Vor­schrift des § 8 Abs. 5 der Berufs­ord­nung für die Baye­ri­schen Zahn­ärz­te zum Schut­ze der Berufs- (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Eigen­tums­frei­heit (Art. 14 Abs. 1 GG) ein­schrän­kend aus­zu­le­gen. Ins­be­son­de­re die Eigen­tums­frei­heit sei bei einer ent­spre­chen­den Les­art der berufs­recht­li­chen Vor­ga­be nicht ver­letzt, da es sich bei einem Pati­en­ten­stamm von vorn­her­ein nicht um eine geschütz­te Rechts­po­si­ti­on des Ver­käu­fers han­de­le. Viel­mehr lie­ge mit dem Pati­en­ten­stamm eine von der Eigen­tums­frei­heit nicht geschütz­te blo­ße Umsatz- und Gewinn­chan­ce vor.

Bedeu­tung für die Pra­xis

Durch die­se Ent­schei­dung hat der BGH aus­drück­lich klar­ge­stellt, dass es Zahn­ärz­ten in Bay­ern auf­grund der Ver­bots­norm des § 8 Abs. 5 nicht mög­lich ist, ihren Pati­en­ten­stamm iso­liert zu ver­kau­fen und für die Fort­set­zung der Behand­lung durch den Käu­fer zu wer­ben. Da sich ent­spre­chen­de Ver­bots­vor­schrif­ten – dem § 2 Abs. 8 der Muster­be­rufs­ord­nung für Zahn­ärz­te nach­ge­bil­det – auch in den mei­sten ande­ren Berufs­ord­nun­gen der Zahn­ärz­te­kam­mern fin­den und zudem auch für Ärz­te in § 31 Abs. 1 MBO‑Ä ein Ver­bot der Zuwei­sung gegen Ent­gelt nor­miert ist, bean­sprucht die­se Ent­schei­dung für nahe­zu sämt­li­che Lei­stungs­er­brin­ger im (zahn-)ärztlichen Bereich der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land Bedeu­tung.

Eine Mit­ver­äu­ße­rung der Pati­en­ten­da­ten als wesent­li­cher Teil des Good­wills im Rah­men eines Asset Deals bleibt jedoch wei­ter­hin mög­lich. Der ent­spre­chen­de Pra­xis­kauf­ver­trag soll­te dabei das sog. Zwei-Schrank-Modell vor­se­hen, bei dem die über­ge­be­nen Pati­en­ten­ak­ten so lan­ge in einem geson­der­ten Schrank auf­be­wahrt wer­den, bis die betref­fen­den Pati­en­ten der Nut­zung ihrer Pati­en­ten­da­ten durch den neu­en Pra­xis­in­ha­ber zuge­stimmt haben. Mit Blick auf die seit dem 25. Mai 2018 gel­ten­de DSGVO ist dem abge­ben­den (Zahn-)Arzt und dem Erwer­ber zu emp­feh­len, zusätz­lich einen sog. Auf­trags­ver­ar­bei­tungs­ver­trag zu schlie­ßen, um auch die daten­schutz­recht­li­chen Vor­ga­ben für die Über­tra­gung von Pati­en­ten­da­ten in jedem Fall ein­zu­hal­ten. Erst recht steht der Hin­weis­be­schluss des BGH einer Ver­äu­ße­rung von Antei­len an einer Pra­xis im Wege eines Share Deals nicht ent­ge­gen, da hier kei­ne iso­lier­te Über­tra­gung der Pati­en­ten­da­ten, son­dern ledig­lich ein Gesell­schaf­ter­wech­sel erfolgt.

Wir bedan­ken uns bei Dr. Flo­ri­an Brom­bach & Nico Ame­lun­xen von der Anwalts­kanz­lei HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK für die Bereit­stel­lung die­ses hoch­in­ter­es­san­ten Bei­trags.

 

Dr. Florian Brombach & Nico Amelunxen

Dr. Florian Brombach & Nico Amelunxen

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